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Exkurs: Der Akzeptanzbegriff

In der im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwendeten Fachliteratur wird der Begriff `Akzeptanz´ teilweise häufig verwendet oder stellt sogar den zentralen Aspekt dar. Dennoch wird er nicht erläutert oder nur knapp umrissen bzw. mit sich selbst erklärt: "Bei der Akzeptanz geht es vielmehr um eine Legitimation der öffentlichen Verwaltung durch eine Erledigung von Verwaltungsaufgaben, die vom Bürger anerkannt wird. [ ...] Akzeptanz umfaßt die Spannbreite des Bewertens von Verwaltungsentscheidungen von richtig bis noch akzeptabel" (Würtenberger, 1991, 258).

Doris Lucke (1995) hat erstmals im deutschen Sprachraum dem Akzeptanzbegriff eine eigene Monographie gewidmet. Aufgrund des Umfangs und der schwerpunktmäßig soziologischen Ausrichtung ihres Buches kann hier keine Zusammenfassung gegeben, sondern soll der Begriff erläutert und definiert werden. "Modewörter legen den `begriffsdiagonstischen Zeigefinger´ auf die besonderen Kennzeichen einer Gesellschaft", stellt Lucke (1995, 38) fest. Der Akzeptanzbegriff findet Verwendung in der politischen, der Rechts- und Alltagssprache, wobei es die Inhalte des rechtlichen und politischen Lebens sind, die auf keine Akzeptanz stoßen, "die nicht mehr hingenommen werden und gegen die man opponiert" (eb.).

Der Akzeptanzbegriff, verstanden als `Anerkennung´, `Zustimmung´, `Befürwortung´, `Bestätigung´ fand in den 1980´er Jahren Eingang in die Wörterbücher und Enzyklopädien. Rückführbar auf die lateinischen Verben acceptare, `annehmen´, `sich gefallen lassen´, aber auch auf accipere, `empfangen, meist eines Angebots´, definieren Endruweit/Trommsdorf in ihrem soziologischen Fachwörterbuch Akzeptanz als "die Eigenschaft einer Innovation, bei ihrer Einführung positive Reaktionen der davon Betroffenen zu erreichen" (1989).

Lucke dagegen (1995, 91f.) lehnt die Begriffsbestimmung über die `Eigenschaft´ ab und will das Zustandekommen von Akzeptanz als Wechselspiel von Akzeptanzsubjekt, -objekt und -kontext verstanden wissen, wie in Abbildung 4 dargestellt. Akzeptanzsubjekt sind die einzelnen Personen, bestimmte gesellschaftliche Gruppen oder die Gesellschaft als Ganzes, die einem Sachverhalt zustimmen, gekennzeichnet durch die Frage `Akzeptanz von wem?´. Akzeptanzobjekte sind die diskutierten bzw. in der Gesellschaft oder Teilen davon kursie-

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Abbildung 4: Der Akzeptanzbegriff als Wechselspiel: Akzeptanz findet sich bei unterschiedlichen Personen oder Personengruppen (Subjekte) über bestimmte verhandelbare Sachverhalte (Geräte, Meinungen, Verhaltensweisen etc., den Objekten) unter dem Einfluß gegenwärtiger, die jeweilige Gesellschaft kennzeichnende Grundwerte (Kontext). (Quelle: nach Lucke, 1995, 87)

renden (Verhaltens-)Angebote und unterbreiteten Vorschläge zu einem Sachverhalt (Geräte, Meinungen, Verhaltensweisen etc.), charakterisierbar durch die Frage `Akzeptanz wovon?´. Der Akzeptanzkontext stellt die Generalnormen, Werte oder Grundhaltungen der jeweiligen Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit dar. Akzeptanz muß daher bei wechselnden Mehrheiten und sich verschiebenden Maßstäben immer wieder aufs Neue beschafft werden.

Für eine zukünftige soziologische Akzeptanzforschung favorisiert Lucke eine Definition des Akzeptanzbegriffs, in der Akzeptanz verstanden werden soll als

"die Chance, für bestimmte Meinungen, Maßnahmen, Vorschläge und Entscheidungen bei einer identifizierbaren Personengruppe ausdrücklich oder stillschweigende Zustimmung zu finden und
unter angebbaren Bedingungen aussichtsreich auf deren Einverständnis rechen zu können" (1995,
104).

4 Mediation in der kommunalen Landschaftsplanung

`Kooperation´, `Bürgerbeteiligung´, `Konsens´ und `Akzeptanz´ sind Schlagworte, die zur Zeit in planungsrelevanter Fachliteratur häufig verwendet werden. Eine Wende vom decide-announce-defend-System hin zu bürgernahen Kooperationsmodellen zeichnet sich ab. Der `Dreisprung´

Konsens Þ Akzeptanz Þ Umsetzung

soll im folgenden zunächst nachgezeichnet, und dann auf seine Einsatzfähigkeit in der kommunalen Landschaftsplanung hin getestet werden. Anlaufstrecke dafür soll das Mediationsverfahren sein, wo durch Hinzunahme eines neutralen Dritten Konflikte erkannt, Probleme zielorientiert diskutiert und Lösungen gemeinsam gefunden und umgesetzt werden sollen.

4.1 Planung im Wandel - Vom Dezisionismus zu Akzeptanz

Um die aktuellen Veränderungen im Planungswesen besser einordnen zu können, wird zunächst ein kurzer Abriß über die bisherigen Entwicklungsstadien gegeben. Über die Krise des autoritativen Staates wird der Weg bereitet für neue kommunikative und kooperative Elemente.

4.1.1 Evolution des Planungsverständnisses in Deutschland

Einen Überblick über den Wandel des Planungsverständnisses gibt Abbildung 5. Während Albers (1993) noch nacheinander abfolgende Phasen unterteilt, hat Selle (1995) die `Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen´ erkannt: es findet keine Ablösung der einzelnen Phasen statt, sondern ein Hinzufügen von neuen Elementen, welche die bisherigen ergänzen. Vergleichbar evolutionsbiologischen Prozessen werden vorhandene Handlungsmuster nicht aufgegeben, sondern neue Formen entwickelt, die auf den vorhandenen aufbauen.

Beide unterscheiden dennoch vier `Abschnitte´ in der Planungsgeschichte:

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Abbildung 5: Evolution des Planungsverständnisses in Deutschland. Es entwickelte sich in Stufen, d.h. es findet keine Ablösung von einzelnen Phasen statt sondern ein sich Ergänzen von neuen Handlungsmustern, die auf den bisherigen aufbauen. (Quelle: Selle, 1995, 240)

Die Neuorientierung ist gekennzeichnet durch Marktteilnahme von privatwirtschaftlich agierenden Planungsträgern und Neuen Sozialen Bewegungen (Bürgerinitiativen u.a.; vgl. Rucht, 1995), die gegen eine reine Expertenplanung demonstrieren und Beteiligung einfordern. Neben Verwaltung und Politik sind nun zwei neue Parteien am Tisch, zwischen denen der Planer als Interessen-Manager agiert und `kooperatives Handeln´ praktizieren muß: "Planer sind nicht mehr Träger, sondern vor allem Moderatoren von Entscheidungsprozessen, die von vielen Akteuren mitgestaltet werden" (Selle, 1991, 34).

4.1.2 Krise des autoritativen Staates

"Dezisionismus kann auf die Kurzformel gebracht werden: Fachmann untersuche, wir - Politiker - entscheiden", definierte Atteslander schon 1973 (814). Für Verwaltungsentscheidungen wird es als decide-announce-defend-System in der Literatur beschrieben (Selle, 1994): Entscheidungen werden, wie in Abbildung 6 grafisch dargestellt, verwaltungsintern beraten und beschlossen, dem Verkünden folgt eine Protestwelle, welche allenfalls marginale, aber keine grundsätzlichen Veränderungen mehr an der dann zu verteidigenden Entscheidung zur Folge hat.

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Abbildung 6: decide-announce-defend-System: bisher werden Entscheidungen verwaltungsintern beraten und beschlossen, um sie darauf nach außen hin gegen Proteste so weit wie möglich zu verteidigen. (Quelle: Selle, 1994, 74)

Aber das einseitig-hoheitlich, autoritativ oder auch imperativ genannte Handeln des Staates durch Ge- und Verbote hat seine Leistungsgrenze erreicht bzw. überschritten, da eine Entscheidungsduldung ohne die Möglichkeit der Mitsprache und Beteiligung nicht mehr `erste Bürgerpflicht´ ist:

(Hoffmann-Riem, 1989, 7ff.; Hoffmann-Riem, 1990, 19ff.; Zilleßen/Barbian, 1992, 23; Cybulka, 1993, 28f.; Zilleßen, 1993, 17f.)

Besonders im rechtlich komplexen Umweltbereich, wo raumbezogene Maßnahmen (Altlasten, Abfallverwertung, Verkehrsinfrastruktur u.a.m.) regelmäßig auf Widerstand standortnaher Bürger bzw. Gemeinden treffen, haben sich auf verschiedenen politisch-administrativen Entscheidungsebenen Interessengruppen gefunden, die Staat und Verwaltung durch Gerichtsverfahren an den Rand ihrer Handlungsfähigkeit gebracht haben (Hoffmann-Riem, 1989, 19; Zilleßen, 1993, 17ff.) und für wirtschaftliche Investitionen wenig kalkulierbare Planungszeiträume und damit zusätzliche Kosten verursachen (Würtenberger, 1991, 257). Hill beschreibt die eingetretene Situation folgendermaßen:

"Keiner hat die Macht, etwas zu erreichen, aber alle haben die Macht, sich gegenseitig zu blockieren" (1993, 975).

Alternativen sind notwendig. Zur Lösung der `Legitimationskrise´ von Politik und Verwaltung, erkennbar an der Bildung von Bürgerinitiativen, die sich von der bestehenden Parteienlandschaft nicht repräsentiert fühlen, werden verhandlungsorientierte Entscheidungsverfahren diskutiert, die unter Beteiligung von Betroffenen und der Öffentlichkeit eine Problem- oder Konfliktlösung für möglichst alle Beteiligten akzeptierbar und umsetzbar machen. Der oben definierte `Alleinvertretungsanspruch´ der Politik wird dabei zurückgedrängt und politische Verantwortung wieder teilweise in gesellschaftliche Bereiche zurückgegeben. Der Prozeß einer `gesellschaftlichen Selbstregulierung´ wird dadurch gestärkt, der insbesondere auf kommunikative Steuerungselemente zur Entscheidungsfindung und Implementierung zurückgreift. (Hoffmann-Riem, 1989, 16f.; Zilleßen, 1993, 32)

4.1.3 Akzeptanz als Wegbereiter von Entscheidungen

Zur Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit von Politik und Verwaltung hat Würtenberger (1991; 1993) ein `Akzeptanzmanagement´ als grundlegende Verfahrensweise vorgeschlagen. Es fußt auf drei Säulen:

Dieser Handlungsempfehlung liegt, das grundsätzliche Agieren von Politik und Verwaltung betreffend, die umweltrechtliche Prinzipientrias aus dem ersten Umweltprogramm einer Bundesregierung von 1971 zugrunde. Insbesondere im Vorsorge- und Kooperationsprinzip (Kloepfer, 1989, 71ff.; Storm, 1992, 18ff.) sind die Kernelemente von Würtenberger bereits enthalten. Das Vorsorgeprinzip schreibt die präventive und repressive Abwehr von Gefahren und Schadensbeseitigung fest, im Kooperationsprinzip ist der Grundsatz vom Zusammenwirken von Staat und Gesellschaft und die Mitwirkung Betroffener bei umweltrelevanten Entscheidungen zur Verbesserung ihrer Annahme formuliert. Vorausschauendes, frühzeitiges Informieren, Beteiligung von Bürgern und die Suche nach einer akzeptanzfähigen Lösung wurde zwar schon damals als wichtig erkannt, von der Gesetzgebung und der Verwaltungspraxis bislang jedoch noch nicht in ihrer Gänze verwirklicht.

4.1.4 Akzeptanz im Verwaltungsverfahren

Das offene Informationspolitik und frühzeitige Bürgerbeteiligung zu mehr Akzeptanz führt, wird in der bisher betrachteten juristischen und politischen Literatur auf theoretische Überlegungen gestützt. Wie sieht es aber in der Verwaltungspraxis aus? Holtkamp/Stach (1995, 120) fordern daher eine weitere Überprüfung dieser Hypothese des Akzeptanzmanagements.

Den Grundsatz einer offensiven Informationspolitik, wie ihn Würtenberger wie oben dargestellt vertritt, haben auch Discher/Kraus für den Altlastenbereich formuliert:

"Wesentlich ist, daß die Beteiligten sofort, vollständig und ehrlich über den Sachverhalt informiert werden" (1991, 151).

Sie weisen allerdings auch darauf hin, daß auch ein kooperatives Verwaltungsverhältnis mit offener Informationspolitik nicht zwangsläufig zu einvernehmlichen Lösungen unter den Beteiligten führt. Um Akzeptanz für eine Umsetzung von Maßnahmen zu erreichen, müssen die Betroffenen an Entscheidungen beteiligt werden. Das steigende Selbstbewußtsein der Bürger, sich gegen einseitig-hoheitlich getroffene Entscheidungen durch Bildung von Bürgerinitiativen o.ä. zur Wehr zu setzen, wurde oben bereits erläutert. Hinzukommt der psychologische Faktor der Angst um Gesundheit, Existenz und/oder Leben, der von politische Seite aus nicht unterschätzt werden sollte. Im Falle der Altlastensanierung kann die Beteiligung über eine Sanierungsgemeinschaft erfolgen, der die Interessengruppen der Bewohner, Politik, Verwaltung und Planer bzw. Gutachter angehören. Hier besteht die Möglichkeit der Kommunikation und der Konfliktaustragung der Beteiligten. Die Beschlüsse der Sanierungsgemeinschaft dienen dann als Beschlußvorlage für den Rat bzw. das Kommunalparlament. Das paritätische Einbeziehen der politischen Parteien verstärkt die Bedeutung dieses Gremiums zur Beeinflussung der Entscheidungsgestaltung bzw. -beeinflussung. (Discher/Kraus, 1991, 151ff.)

Neben der frühen Information muß demnach auch eine frühe Beteiligung der Betroffenen Bürger im zukünftigen Verwaltungshandeln institutionalisiert werden.

Kaule et al. (1994) prognostizieren in ihrem Forschungsbericht zur umsetzungsorientierten Landschaftsplanung Akzeptanz als entscheidenden Faktor bei langfristigen Planungen (vgl. dazu auch Kapitel 3.4.4). Kommunikationsprobleme der Beteiligten untereinander, basierend auf der unterschiedlichen Wahrnehmung von Problemen, persönlicher Einstellung oder auch der Panikmache in landwirtschaftlichen Fachzeitschriften, und Schwächen der Planer, die Inhalte ihrer Landschaftspläne betroffenengerecht zu vermitteln, lassen Verhandlungs-, Einigungs- und Konsenspotentiale im Verborgenen, so daß die Umsetzung von Maßnahmen nicht zustande kommt.

Die Beispiele aus der Verwaltungspraxis zeigen, daß die Hypothese des Akzeptanzmanagements durchaus zu bejahen ist. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß Akzeptanz im Verwaltungsverfahren abhängig ist von

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Abbildung 7: Der Ansatz der kooperativen Planung geht von einem gemeinsamen sammeln und beraten der Planungsvorschläge aus. Die Entscheidung von einem legitimierten Gremium wird dann wiederum auf kooperativer Basis umgesetzt. (Quelle: Selle, 1994, 74)

Diesen Ansatz kooperativer Planung verdeutlicht Abbildung 7: Planungsvorschläge werden gemeinsam gesammelt und beraten, nach der Entscheidung wird wiederum gemeinsam umgesetzt. Nun soll das Mediationsverfahren als ein mögliches Instrument vorgestellt werden, diesen kooperativen Planansatz zu verwirklichen.

4.2 ADR und Mediation

Im folgenden soll ein grundlegender Überblick über alternative dispute resolutions (ADR) und Mediation gegeben werden, wie es für das Verständnis im Rahmen dieser Arbeit notwendig erscheint.

4.2.1 Begriffe und Definitionen

Die im amerikanischen Recht zur Konfliktentscheidung entwickelten ADR sind begrifflich stark aufgesplittet und machen eine Systematisierung erforderlich. Zilleßen/Barbian (1992) und Holznagel (1990) wählen vier Kategorien zur Unterteilung aus, die wegen der prägnanten begrifflichen Differenzierung kurz dargestellt werden sollen:

Als letztentscheidende, nicht auf Verhandlung basierender Instanz führt das auf eine win-loose-Situation (siehe hierzu Kapitel 4.3.1) angelegte Urteil eines Gerichts zu einer Entscheidung, die von den Konfliktparteien akzeptiert werden muß.

Insbesondere die Unterscheidungen zwischen facilitation/conciliation und meditation sind im Rahmen dieser Arbeit interessant. Ersteres kann als reine Moderation von Interessen innerhalb einer Projektsteuerung aufgefaßt werden, wie sie bspw. Stachowitz (1995) als koordinierender Raumplaner beschrieben hat. Mediation hingegen schließt den Mediatior bzw. Konfliktmittler über die moderierende Tätigkeit hinaus aktiv bei der inhaltlichen Ergebnisfindung mit ein, indem er den Parteien hilft, durch einen möglichst konsensorientierten Verhandlungsstil Verhandlungsspielräume auszuloten, selbst Lösungsvorschläge unterbreiten kann und somit ein von möglichst vielen Parteien getragener Kompromiß zustande kommt. (Gaßner et al., 1992; Hoffmann-Riem, 1989; Holtkamp/Stach, 1995; Holznagel, 1990).

Die Abgrenzung zwischen faciliation/conciliation und mediation, wie sie in der wissenschaftlichen Literatur getroffen wird, läßt sich in der praktischen Anwendung nicht durchhalten. Die Übergänge innerhalb eines Verfahrens von der hier beschriebenen Vermittlung mit und ohne inhaltlichem Eingreifen des neutralen Dritten sind fließend, so daß keine eindeutige Unterscheidung getroffen werden kann.

In ihrer Dokumentation über in Deutschland gelaufene Umweltmediationsverfahren hat die Mediator GmbH (1996, 4f. und 169f.) 49 Verfahren untersucht. Dabei waren nur 20% als Mediation mit inhalts- und verfahrensbezogenen Eingriffsrechten eines neutralen Dritten, einem strukturierten Vermittlungsprozeß und einem angestrebten Konsens klassifiziert. 47% dagegen wiesen Mediationselemente mit inhalts- und verfahrensbezogenen Eingriffsrechten des Mediators, eine bedingte Verfahrensstrukturierung und Vermittlungsansätze auf. 27% wurden charakterisiert als Moderation, wobei ein Moderator nur verfahrensbezogen eingreifen konnte und einen strukturierten Verhandlungsprozeß sicherstellte. 10% der Verfahren stellten kooperative Verhandlungslösungen ohne neutralen Dritten dar.

Mediation wird daher, begrifflich übergreifend, definiert als Konfliktmittlung durch Hinzuziehen eines neutralen Dritten (Mediator), der versucht, durch Verhandlungen zwischen zwei oder mehreren Konfliktparteien einen Konsens zu erzielen. Für die folgenden Ausführungen in Kapitel 4 muß allerdings noch der wissenschaftlich begründete Mediationsbegriff zugrunde gelegt werden.

4.2.2 Ablauf und Rahmenbedingungen für Mediation

Gaßner et al. (1992) unterscheiden in ihrem praxisorientierten Leitfaden vier nacheinander abfolgende Phasen eines Mediationsverfahrens.

Mediationsverfahren haben den Vorteil, i.d.R. auf schnellere Art und Weise als über langwierige Gerichtsverhandlungen einen Konsens der Beteiligten zu erreichen, der akzeptiert und nicht torpediert wird. Darüber hinaus erhöht sich die Qualität der Planung, da durch das Zusammenwirken spezielle Kenntnisse der Beteiligten zusätzlich in den Planungsprozeß einfließen können. Sie sind allerdings an bestimmte Rahmenbedingungen geknüpft, die im folgenden Kapitel etwas ausführlicher dargestellt werden sollen, um auch die Grenzen alternativer Konfliktlösungsverfahren aufzuzeigen. Zu den bedeutenden zählen (nach Susskind/ Cruikshank, 1987; Gaßner et al., 1992):

4.2.3 Umweltmediation in Deutschland

Die US-amerikanischen Konfliktmittlungsmodelle mittels neutralem Dritten zur Entscheidungsfindung sind nicht unmittelbar in deutsches Recht übertragbar (Hoffmann-Riem, 1989; Brohm, 1990; Mediator GmbH, 1996). Sie werden in Deutschland als kooperative Entscheidungsvorbereitung, gleichsam einem übergreifenden Gutachten, diskutiert. Rechtliche Probleme werden insbesondere in der Entscheidungsbindung der Verwaltung und dem dadurch möglicherweise fehlerhaft ausgeübten Ermessen und der Abgabe der Verhandlungsleitung an einen neutralen Dritten gesehen (Hoffmann-Riem, 1989, 34ff.; Brohm, 1990, 326f.). Grundsätzlich unterschieden werden muß dabei allerdings in förmliche und nicht-förmliche Verfahren, wie es § 10 VwVfG vorgibt:

"Das Verwaltungsverfahren ist an bestimmte Formen nicht gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen. Es ist einfach und zweckmäßig durchzuführen."

Zu den förmlichen Verfahren zählen insbesondere das Planfeststellungsverfahren (PLV) (§§ 72 ff. VwVfG) und solche, zu denen andere gesetzliche Regelungen vorliegen, z.B. der Scoping-Prozeß des § 5 UVPG, in dem der voraussichtliche Untersuchungsrahmen für ein UVP-pflichtiges Planverfahren abgesteckt wird. Während beim Scoping laut Gesetzestext Dritte zum Verfahren hinzugezogen werden können, machen Mediationsverfahren beim Anhörungs- und Erörterungsprozeß des PLV keinen Sinn. Hier wird Mediation außerhalb des formalen Verfahrens angesiedelt, gleichsam als zweckorientierte Vorbereitung des PLV. (Kopp, 1996, 230ff.; Mediator GmbH, 1996, 99ff.)

Für die nicht-förmlichen Verfahren dagegen gilt der `Grundsatz der Verfahrensökonomie´ des § 10 Satz 2 VwVfG, nachdem sie "einfach und zweckmäßig durchzuführen" sind. Dies bedeutet, daß die Verwaltung verpflichtet ist, einerseits schnell und kostensparend vorzugehen, andererseits alle nicht im Verhältnis zur Bedeutung der Angelegenheit stehenden oder nicht erforderlichen Maßnahmen zu unterlassen (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in § 40 VwVfG) (vgl. Kopp, 1996, 234). Für die nicht-förmlichen Verfahren, und die Aufstellung eines Landschaftsplans fällt in diese Kategorie, kann Akzeptanz dem Grundsatz der Verfahrensökonomie dienen, so daß Zweckmäßigkeitsüberlegungen ein mediatives Vorgehen rechtfertigen können (so auch schon Hoffmann-Riem, 1989, 48). Lediglich eine Rechtmäßigkeitskontrolle der ausgehandelten Entscheidung durch die Rechtsaufsicht der übergeordneten Behörde (vgl. § 119 GO NW) steht noch aus, denn Rechtmäßigkeit steht der Akzeptanz vor, wie Cybulka (1993) feststellt, der sie als rechtsstaatliche Kategorie ablehnt.

4.3 Konfliktbehandlung

Mediation soll als Möglichkeit der Konfliktmittlung Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei oder mehreren Parteien lösen helfen. Dazu ist es wichtig, Hintergründe und Ausmaße des Konflikts zu kennen. Die Strategie der Konfliktbehandlung nach Glasl (1992) unterscheidet neun Eskalationsgrade in Konflikten und bietet einen praktikablen Weg, durch Betrachtung der Mechanismen, die hinter einem Konflikt arbeiten, diesen einzuschätzen und Lösungen anzubieten.

4.3.1 Eskalationsgrade nach Glasl

Eine erste Übersicht über die neun Stufen der Konflikteskalationen nach Glasl (eb., 215ff.) gibt Abbildung 8. Die Konflikteskalation wird als abwärtsgerichteter Prozeß verstanden, der durch eine Zunahme von "sozialen Turbulenzen" (eb., 215) führt und die Konfliktparteien in ihren Handlungsmöglichkeiten immer weiter einschränkt, da Alternativen zunehmend ausgeschlossen werden. Sie können in drei Kategorien zusammengefaßt werden:

Die neun Stufen sollen kurz charakterisiert werden.

Stufe 1 der Verhärtung unterscheidet sich nur unwesentlich von der normalen Stimmung, die durch Spannungen oder Reibereien beeinflußt werden kann. Gelingt es nicht, unterschiedliche Standpunkte durch Gespräche zu lösen, geht der Konflikt in Stufe 2 über. Die Parteien nehmen rigorosere Haltungen an und scheuen harte, verbale Konfrontationen nicht. Aus Gesprächen entwickeln sich Debatten, die durch eine Polarisation der Meinungen gekennzeichnet ist. Momente des bewußten oder unbewußten Taktierens schleichen sich ein, `Punkte sammeln´ durch Argumente steht an und es wird zwischen dem Ober- und Unterton des Gesprochenen unterschieden. Regeln der Fairneß werden beachtet und ein Recht auf Erwiderung und Rechtfertigung steht allen zu. Wird dieses Recht einer Partei abgesprochen, ist die Schwelle zu Stufe 3 überschritten. Die Parteien kommen zur Einsicht, daß Gespräche zu nichts mehr führen. Sie gehen deshalb zu Taten über, da sie glauben, nur durch einseitige Aktionen einen Fortschritt verbuchen zu können. Die Meinungspolarisation schreitet voran, so daß zum einen individuelle Meinungen durch die der Gruppe ersetzt werden und daß das Interesse für Argumente der Gegenseite schwindet. Non-verbale Kommunikation nimmt zu, was die Gefahr von Fehlinterpretationen und damit einer weiteren Eskalation verursachen kann.

Bisher haben die Parteien im Bewußtsein gehandelt, daß Problem noch gemeinsam lösen zu können, was aber bei Überschreiten des Schwelle zu Stufe 4 verloren geht, wenn der eigene Sieg und die Niederlage des Gegners angestrebt wird. Es steht nun weniger "das Problem der Sache, sondern das Problem mit dem anderen Akteur" (eb., 246) im Mittelpunkt, wobei man sich selbst als Reagierender auf die Aktionen des andern sieht. Hauptaugenmerk wird nun auf die eigene Reputation, sein Selbstbild und die Wahrnehmung von außen gelegt. Dabei neigt man zur eigenen Überschätzung und zur Geringschätzung der Gegenseite. Zirkelprozesse (self-fullfilling prophecy) bilden sich aus, in denen nur ins eigene Bild passende, stereotype Informationen aufgenommen werden, so daß der bestehende Kenntnisstand nicht durch neue

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Abbildung 8: Eskalationsstufen nach Glasl. Die Stufen 1 bis 3 werden unter win-win-Situationen zusammengefaßt, die noch durch den Willen zur Kooperation gekennzeichnet sind, der in den höheren Stufen verloren geht. Bei Stufe 4 bis 6 kommt es zu einer win-loose-Entscheidung. Bei fortschreitendem Konflikt ist eine Lösung ohne Verluste für beide Seiten nicht mehr möglich, eine loose-loose-Situation tritt ein. (Quelle: Glasl, 1992, 218)

Erfahrungen korrigiert oder erweitert werden kann. Es werden Koalitionspartner gesucht, um die eigene Bedeutung und den eigenen Einfluß zu vergrößern. Dementierbares bzw. entschuldbares Fehlverhalten, verstanden als legale, aber unfreundliche Verhaltensweisen, sollen dem Gegner Unannehmlichkeiten bereiten und lassen den Konflikt weiter eskalieren.

Wenn eine Partei in der Öffentlichkeit absichtlich und wiederholt die Ehre einer anderen Partei verletzt und ihnen so einen `Gesichtsverlust´ beibringt, befindet sich der Konflikt in Stufe 5. Der Gesichtsverlust, der auch als Verlust der eigenen Identität aufgefaßt werden kann, hat ein `Aha´-Erlebnis zur Folge, in dem schlagartig das Gefühl aufkommt, den Gegner durchschaut zu haben. Rückwirkend wird sein Verhalten klar und verständlich. Die direkten Kontakte der Konfliktparteien werden abgeschnitten, es entsteht die sog. `Echo-Höhle´: jede Partei spricht nur noch mit sich und nimmt nur noch die Meinung aus den eigenen Reihen war. Eine umfassende Ideologisierung des Konflikts ist eingetreten, die fortschreitende Isolierung hat den Glauben an die gemeinsame Lösung verlieren lassen: "Man ist stark von einer Intervention von Außenstehenden abhängig geworden" (eb., 256). Der Drang nach Klarheit und Eindeutigkeit führt den Konflikt weiter in Stufe 6, die weitgehend von Drohmanövern und -aktionen bestimmt ist. Durch Drohung und Gegendrohung wird eine Gewaltspirale in Gang gesetzt, in der sich die drohende Partei für kurze Zeit der Illusion der Machtausübung hingeben kann, sich aber gleichzeitig den eigenen Handlungsspielraum durch Abschneiden von Ausweich- und Rückzugsmöglichkeiten einschränkt. Eine `Scherenwirkung´ entsteht: der Konflikt wird komplexer, aber die Kontrolle über ihn und seine Steuerungsmöglichkeiten für die Parteien nehmen ab. Eine Lösung aus eigener Kraft können die Parteien nicht mehr leisten.

Die Drohungen, die sich in Teilschritten im Ausmaß steigern, lassen die Bereitschaft wachsen, alles auf eine Karte zu setzen und die Schwelle zu Stufe 7 zu überschreiten. Von nun an wird in der Gegenseite kein Mensch mehr, sondern ein `verdinglichtes´ Objekt gesehen, um einen größtmöglichen Abstand zu ihm zu gewinnen. Durch die wechselseitigen Drohungen ist das Sicherheitsgefühl der Parteien erschüttert und eine Lösung unter der Existenz des Gegners nicht mehr vorstellbar. Die von nun an einsetzende Gewalt bedeutet Machtausübung als Ersatzbefriedigung, wobei ein eigener Schaden in Kauf genommen wird, solange die Verluste des Gegners größer sind als die eigenen. Zunächst bleiben die Gewaltanwendung auf das Sanktionspotential des Gegners beschränkt, eine Stabilisierung auf diesem Konfliktniveau ist aber nicht lange durchzuhalten. In Stufe 8 wird Gewalt und Zerstörung direkt auf die Macht- und Existenzgrundlage des Gegners gerichtet, um ihn selbst zu zerschlagen. Man ist zwar bereit, sich selbst aufzuopfern, rechnet aber mit seinem Überleben. Sobald diese Rechnung nicht mehr aufgestellt wird, haben die Parteien die Schwelle zur Stufe 9 überschritten. Unter Einsatz aller verfügbaren Gewalt wird ein völliger Kollisionskurs gefahren, der alle Brücken einreißt. Die Parteien treiben auf einen Abgrund zu, aus dem es kein Entkommen mehr gibt. Der Untergang des Feindes gibt das Gefühl der Genugtuung und erlaubt in der Selbstauslöschung noch das Gefühl des Triumphs.

Die Konfliktstufen und -schwellen nach Glasl können den Eindruck erwecken, daß die im Konflikt wirkenden Faktoren und Mechanismen jeden Konflikt automatisch eskalieren lassen. Notwendig zur Lösung ist, daß ihm durch die Parteien selbst bewußt entgegengetreten wird. Dieser Bewußtseins- und Willensakt bedarf allerdings der Kenntnis der Eskalationsdynamik und der vorgestellten Stufen und Schwellen. Zumindest eine Partei muß fähig und willens sein, die Situation aus einer `Vogelperspektive´ zu überschauen, und `Friedensangebote´ oder vertrauensbildende Maßnahmen anzubieten. Ist der Bruch zwischen den Parteien zu tief, muß ein neutraler Dritter vermittelnd hinzugezogen werden.

4.3.2 Lösungsstrategien

Glasl bietet verschiedene Strategien an, um Konflikte beizulegen. In Abbildung 9 sind sie, zugeordnet nach ihrem besten Wirkungsfeld, gemäß den vorgestellten Eskalationsgraden, zusammengestellt. Im Gegensatz zu der in Kapitel 4.2.1 vorgestellten Einteilung von ADR erkennt Glasl (eb., 360ff.) dem Moderator eine eigene Kategorie zu, der allerdings nur als Konferenz- oder Verhandlungsleiter die sitzungsinternen Abläufe regelt, ohne dabei inhaltlichen Einfluß auf die Verhandlungen zu nehmen. Er schiebt ihn gewissermaßen zwischen negotiation ohne und conciliation/faciliation mit Verhandlungsleiter. Der Moderator kann darauf vertrauen, daß die Parteien auftretende Konflikte nach seinem eventuellen `Selbstheilungseingriff´ allein bewältigen können. Diese Strategie ist tauglich für Konflikte der Stufe 2 und für weniger komplexe Konflikte der Stufe 3. Schwerpunktmäßig für Stufe 4 ist der conciliator/faciliator oder Prozeßbegleiter am besten angebracht. Die gefestigten Rollen und polarisierten Sichtweisen müssen aufgelockert werden. Er verfolgt eine "Strategie der günstigen Beeinflussung des Konfliktverlaufs in Verhandlungsprozessen" (eb., 388), wobei er sich bei inhaltlichen Fragen nicht einmischt.

Spätestens in der 6. Stufe, in der es die Konfliktparteien nicht mehr ohne fremde Hilfe schaffen, aufeinander zu zugehen, muß ein Außenstehender zwischen ihnen vermitteln, um eine für alle Seiten annehmbare Lösung erreichen zu können. Neben verfahrensregelnden Eingriffen

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Abbildung 9: Konfliktbehandlung nach Glasl (1992). Er unterscheidet bei Konflikten neun Eskalationsgrade, zu denen er jeweils Lösungsstrategien unterbreitet. Bei niedrigen Eskalationsgraden reicht ein Moderator aus, steigt das Konfliktpotential an, wird auch ein inhaltliches Eingreifen zum Vermitteln von Lösungen benötigt, daß sich über einen Mediator bis zu einer letztentscheidenden Machtinstanz, i.d.R. ein Gericht, ziehen kann. (Quelle: nach Glasl, 1992, 365)

beteiligt sich der Neutrale auch an der inhaltlichen Diskussion zur Lösungsfindung. Ein Schiedsspruch (arbitration) kann nach vergeblichen Vermittlungsbemühungen besonders für Stufe 7 und 8 einen Ausweg bieten. Für die Eskalationsstufen 7 bis 9 kann letztlich nur eine den Parteien überlegene Machtinstanz Maßnahmen gegen ihren Willen durchsetzen.

4.4 Mediation in der Raumplanung

Umwelkonflikte sind überwiegend Verteilungskonflikte knapper Ressourcen (Susskind/ Cruikshank, 1987, 16ff.; Hoffmann-Riem, 1989, 31; Claus/Gans, 1994, 20), und bieten sich daher für den Einsatz von Mediation an, da `Verhandlungsmasse´ vorhanden ist. Die in der Literatur häufig zitierten Beispiele für Mediation behandeln standörtliche Planung von Abfallentsorgungsanlagen, Konzepte zu Abfallentsorgung, Altlastensanierung (bspw. Claus/ Wiedemann, 1994; Dally et al. 1995) oder Verkehrsplanung (Sellnow, 1995). Der Anwendungsbereich `Räumliche Planung´ dagegen wurde erst später aufgegriffen und wird unterschiedlich gesehen. So kommt Gans zum Ergebnis:

"Grundsätzlich ist Mediation jedoch für alle Bereiche der Orts- und Fachplanung mit lokalem Bezug geeignet, vor allem für jene, die systematisch und begrenzt bearbeitet werden können" (1995, 105).

Sinning (1995, 175) dagegen weist auf die Notwendigkeit hin, den Beitrag von kooperativen Planungsprozessen in raumplanerischen Problemstellungen erst noch klären zu müssen.

Bevor Aussagen zur Leistungsfähigkeit von Mediation bzw. kooperativer Planung vorgestellt werden, soll ein Beispiel dargestellt werden, in dem zwar nicht Mediation als Instrument der Konfliktmittlung eingesetzt wurde, aber frühe Betroffenenbeteiligung und kooperative Instrumente Grundlage einer erfolgreichen Projektkonzeption waren.

4.4.1 Kooperation in der Praxis - Trinkwassergewinnung im Mangfalltal

Aus dem ca. 40 km südwestlich von München gelegenen Mangfalltal (vgl. Abbildung 10) beziehen die Stadtwerke München (alle Angaben aus Stadtwerke München (o.J.); vgl. auch Sommerhoff (1987) und Adam/Blach (1996)) rund 80% (ca. 100 Mio. m3/a) ihres Trinkwasserbedarfs. Dieses seit 1883 genutzte Trinkwassereinzugsgebiet deckt somit den Großteil der Grundlast ab, ergänzt durch das ca. 70km von München entfernte Oberau im Loisachtal (ca. 22 Mio. m3/a). Zur Deckung des Spitzenbedarfs können aus der direkten Umgebung in der Münchener Schotterebene im Süden der Stadt aus verschiedenen Zuleitungen ca. 1 Mio. m3 Trinkwasser im Jahr gefördert werden. Eine zusätzliche künstliche Aufbereitung des Wassers ist wegen seiner Reinheit nicht notwendig.

Die überwiegend land- und forstwirtschaftlich genutzten Gewinnungsgebiete wurden als Wasserschutzgebiete ausgewiesen. Die Stadtwerke versuchten darüber hinaus möglichst viele Flächen in den Einzugsgebieten zu kaufen, aufzuforsten und unter Auflagen zu verpachten. Dennoch kam es zu einem stetigen Anstieg von Nitrat und Pestiziden, so daß eine Wasseraufbereitung zum einen höhere Kosten, zum andern durch die Behandlung eine geringere Wasserqualität als die bisherige zur Folge gehabt hätte. 1991 kam bei den Stadtwerken die Idee auf, den Ökologischen Landbau in den Einzugsgebieten zu fördern, denn seine restriktiven Bewirtschaftungsmethoden erschienen geeignet, den Boden und damit das zu fördernde Grundwasser vor Nitrat- und Pestizideinträgen zu schützen. 1992 wurde von ihnen für das wichtigste Gewinnungsgebiet "Mangfalltal" ein Pilotprogramm zur Förderung des Ökologischen Landbaus gestartet, das den Landwirten eine sechsjährige Umstellungsbeihilfe von DM 550.- pro ha und Jahr für Grün- und Ackerland gewährt. Daneben können auch unter weiteren Auflagen Zuwendungen aus staatlichen Kulturlandschaftsförderprogrammen in Anspruch genommen werden.

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Abbildung 10: Trinkwassergewinnung der Münchener Stadtwerke. Der Großteil der Grundlast, ca. 80%, wird aus dem 40km entfernten Mangfalltal (Förderung in Mühlthal, Thalham, Gotzing und Reisach) gewonnen, ergänzt durch Brunnen im Loisachtal bei Oberau, 70km südlich von München. Zur Deckung des Spitzenbedarfs werden jährlich rund 1 Mio. m3 aus der Münchener Schotterebene aus verschiedenen Brunnen gefördert. Zunehmende Belastungen durch Nitrat und Pestizide im Trinkwasser zwangen die Stadtwerke zum Handeln. (Quelle: Stadtwerke München, o.J., 30)

Gemeinsam mit den Verbänden Bioland und Naturland, nach deren Richtlinien und Kontrol- len gearbeitet wird und deren Mitglieder die Landwirte werden müssen, organisierten die Stadtwerke München Informationsveranstaltungen. Nach anfänglichen Vorbehalten, die oftmals durch persönliche Beratungen von den Verbandsvertretern auf den Höfen ausgeräumt werden konnten, entwickelte sich das Förderprogramm äußerst erfolgreich: von den 2250ha landwirtschaftlich genutzter Fläche im Umstellungsgebiet wurden 1996 1600ha, das sind rund 70%, ökologisch bewirtschaftet (vgl. Tabelle 6). 92 Öko-Betriebe haben bis 1996 ökologische Bewirtschaftungsmethoden innerhalb und außerhalb des Umstellungsgebietes auf 2200ha eingeführt.

Die Stadtwerke München und die beteiligten Landwirte betrachten sich als gleichberechtigte Parteien in einer Interessengemeinschaft. Zusammen mit den Anbauverbänden haben sie eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, um Absatzmärkte für die ökologisch produzierten Lebensmittel zu erschließen und eine entsprechende Vermarktung sicherzustellen. Über die Wirksamkeit des Förderprogramms hinsichtlich des Trinkwasserschutzes können nach den ersten vier Jahren wegen des andauernden Auswaschungsprozesses der chemischen Verbindungen noch keine endgültigen Aussagen getroffen werden, jedoch zeichnet sich eine positive Trendwende ab.

Tabelle 6: Flächennutzung im Umstellungsgebiet des Mangfalltals. Das 1992 gestartete Förderprogramm erwies sich nach vier Jahren als erfolgreich: von 2250ha landwirtschaftlich genutzter Fläche wurden 1600ha, das sind rund 70%, ökologisch nach Bioland- bzw. Naturland-Richtlinien bewirtschaftet. Eine Arbeitsgemeinschaft sucht nach Absatz- und Vermarktungschancen der Produkte. (Quelle: Stadtwerke München, o.J., 12).

Flächennutzung in ha in %
Umstellungsgebiet insgesamt 6000 100

davon
Wasserschutzgebiet

sonst. Einzugsgebiet

 

2200

3800

 

37

63

Forstwirtschaft 2900 48
Landwirtschaft 2250 38

davon bewirtschaftet

ökologisch

konventionell

 

1600

650

 
sonstige Flächen 850 14

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das vorgestellte `Münchener Modell´ setzt konsequent auf Ökologischen Landbau und ist ein Beispiel dafür, wie durch frühzeitige Kooperation eine Konfrontation vermieden werden konnte. Die zusätzliche finanzielle Belastung von 0,1 Pf/m3 ist gegenüber einer kostspieligen technischen Aufbereitung ein geringfügiger Preis für ein Trinkwasser mit hoher Qualität.

4.4.2 Leistungsfähigkeit von Mediation in der räumlichen Planung

Gans (1994, 101ff.) stellt in ihrer Arbeit abschließend fest, daß Mediation nur eine von vielen Möglichkeiten ist, Probleme in der räumlichen Planung anzugehen und daß für Routineprobleme Routineproblemlösungsverfahren existieren. Insgesamt hält sie jedoch Mediation zum einen für tauglich, die Beteiligung betroffener Bürger bei Planungsvorhaben zu ermöglichen, zum andern kann die Qualität und der Ruf der räumlichen Planung verbessert werden. Darüber hinaus gibt sie sich damit zufrieden, "daß sich die verschiedenen gesellschaftlichen Akteure zu einem Gespräch zusammenfinden und damit ihre gemeinsame Verantwortung für die Gestaltung ihrer Lebenswelt dokumentieren" (eb., 103). Tabelle 7 gibt ihre Einschätzung der Leistungsfähigkeit von Mediation für die räumliche Planung in der BRD wieder. Tabelle 8 listet die Chancen und Grenzen kooperativer Planung auf, wie sie Langer (1996) formu- liert hat. Da die beiden Autorinnen von verschiedenen Ausgangspunkten zur Aufstellung ihrer

Tabelle 7: Leistungsfähigkeit von Mediation für die räumliche Planung. Für die BRD unterteilte Gans das Potential von Mediation zur Konfliktlösung in drei Kategorien, wobei sie die Qualitäts- und Imageverbesserung von Planungsverfahren durch Konfliktmittlung betont. (Quelle: nach Gans, 1994, 104; Hervorhebung durch Gans)

Leistungsfähigkeit der Mediation

Konflikte der räumlichen Planung

leistbar

  • Behörde kann aus ihrer Doppelfunktion heraus
  • Transparenz der Vorabsprachen und des Planungsverfahrens
  • gleichberechtigter Zugriff auf Informationen, die für eine Entscheidung nötig sind
  • Bürgerbeteiligung, wenn es noch Gestaltungsmöglichkeiten gibt
  • Partizipation an Planungen in beschränktem (lokalem) Umfang
  • Verbesserung der Qualität und des Images der Planung

Leistbarkeit muß sich noch erweisen

  • Durchsetzbarkeit von Planungen verbessert sich
  • Entscheidungen werden nicht mehr vor Gericht getroffen
  • Planungszeiten verkürzen sich
  • Kosten werden verringert
  • Milderung des Widerstands der direkt Betroffenen

Leistbarkeit unrealistisch

  • Verringerung der "räumlichen Ungerechtigkeit" der Planung
  • Aufhebung des Widerstands der direkt Betroffenen
  • Aufhebung der "Krise der regulativen Politik" und der "Krise der Wissenschaft"

Tabelle 8: Chancen und Grenzen kooperativer Planung. In ihrer nicht-veröffentlichten Diplomarbeit formuliert Langer Chancen und Grenzen kooperativer Planung. Eine Qualitätserhöhung sieht sie als möglich an. (Quelle: nach Langer, 1996, 106)

Chancen und Grenzen kooperativer Planung
Chancen
  • Berücksichtigung möglichst vieler Sichtweisen durch Einbindung von Interessengruppen und nichtorganisierten Bürgern
  • Anerkennung planerischen Handlungsbedarfs seitens der Bürger
  • Erhöhung der Entscheidungsqualität durch Berücksichtigung sozialer Aspekte und detaillierter Ortskenntnis der Betroffenen
  • Verstehen und Transparenz von Planungs-, Bewertungs- und Entscheidungsprozessen für die davon Betroffenen
  • Rückgewinn an Glaubwürdigkeit für Verwaltung und Politik (mit Einschränkung)
  • Informationsgewinn für alle Beteiligten (Verwaltung, Politik, Experten, Bürger)
  • Förderung des Verständnisses für Umweltprobleme und Ziele und Maßnahmen des Natur- und Umweltschutzes
  • evtl. stärkerer Zwang der Entscheidungsträger zur sachorientierten Entscheidungsfindung
  • Laienplanerrolle: Vereinigung von Planer und Betroffenen in einer Person als Lernfeld, um Partikular- mit Gemeinwohlinteressen in Einklang zu bringen
  • Rückgewinn an Einfluß und Gestaltungsmöglichkeiten auf kommunaler und regionaler Ebene in Zeiten zunehmender Deregulierung und schwindender Einflußnahme
Grenzen
  • geringes Eindringen in umweltplanerische Sachverhalte bei komplexem Entscheidungskontext und Wechsel der Beteiligten
  • u.U. Interessenselektivität zum Nachteil künftiger Generationen
  • bei frühzeitiger Einbindung und strukturiertem Verfahrenskonzept und u.U. zu geringe Flexibilität gegenüber Veränderungen des Entscheidungskontextes
  • bei stark differierenden Wertvorstellungen in normativ besetzten Konflikten ist kaum eine Einigung möglich
  • bei Einsatz kooperativer Verfahren für einzelfallbezogene Entscheidungen besteht keine Einflußnahme auf die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen
  • vermutlich keine Lösung der Krise regulativer Politik (Langfristeffekte noch unbekannt)

Einschätzung ausgegangen sind, Mediation und dreiteilige Kategeorisierung zum einen, kooperative Planung und eine Zweiteilung zum anderen, kann ein direkter Vergleich nicht
stattfinden. Aber Tendenzen sind dennoch herauszulesen, ohne schwerwiegende methodische Fehler zu begehen.

Beide Autorinnen halten ein transparenteres Planungsverfahren für möglich, wobei alle Beteiligten auf den gleichen Informationspool zugreifen können. Die Qualität der Planung kann sich erhöhen, da die Berücksichtigung der Sichtweisen lokaler Interessengruppen, sozialer Aspekte und der vorhandenen Ortskenntnis der Betroffenen Eingang in die Planungsentscheidungen finden. Darüber hinaus wird eine Verbesserung der Außenwirkung für die Planung (Image) und für Politik und Verwaltung (Glaubwürdigkeit) als möglich erachtet. Eine Lösung der "Krise regulativer Politik" durch Mediation bzw. kooperativer Planung dagegen halten beide Autorinnen für nicht in Sicht. Während Gans weiterhin die an das Mediationsverfahren gebundenen Vorteile, wie sie in der Literatur diskutiert werden (vgl. Kapitel 4.2), als zumindest erreichbar ansieht, wie Abgabe der Doppelfunktion der Verwaltung (neutrale und planende Instanz), Verbesserung der Durchsetzbarkeit, Verkürzung der Planungszeit, Kostenersparnis und Eindämmung des Bürgerwiderstands, bleibt Langer ansatzbedingt pauschaler. Die Förderung des Umweltverständnisses, eine sachorientiertere Entscheidungsfindung bei den Verantwortlichen und ein Rückgewinn an Einfluß und Gestaltungsmöglichkeiten auf kommunaler und regionaler Ebene sieht sie als Chance an.

Die Einschätzungen der Grenzen sind bei beiden grundsätzlicher Art: eine Aufhebung des Widerstands direkt Betroffener oder der `räumlichen Ungerechtigkeit´ der Planung wird ebenso wenig gesehen wie die Lösung von Konflikten gegensätzlicher Wertvorstellungen, die Entscheidung unter Einbeziehung langfristiger Folgen zum Vorteil nachfolgender Generationen oder der Einflußnahme auf rechtliche und politische Rahmenbedingungen. Ein geringes Eindringen in umweltplanerische Sachverhalte wurde von Mediationsverfahren durch umfangreiche Gutachten und einen großen Teil von Beteiligten bislang nicht beschrieben. Bei Veränderungen der Ausgangslage (entspricht `Entscheidungskontext´ nach Langer), müssen konventionelle Verfahren ebenso eine neue Situationsbestimmung durchführen, so daß dies kein echter Nachteil ist.

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