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"Die gesunde Landschaft wird in alarmierendem Ausmaß verbraucht.
Wir wissen: Auch Technik und Wirtschaft sind unerläßliche Voraussetzungen
unseres heutigen Lebens. Die natürlichen Grundlagen von Technik und
Wirtschaft können weder willkürlich ersetzt noch beliebig vermehrt werden.
Deshalb ist es notwendig, gemeinsam die Lage zu überprüfen, zu planen, zu handeln,
um den Ausgleich zwischen Technik, Wirtschaft und Natur herzustellen und zu sichern."

Grüne Charta von der Mainau, 1961

1 Einleitung

Im April 1961 beschloß auf der Insel Mainau ein Gremium aus Persönlichkeiten des kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Lebens und der Landespflege die "Grüne Charta von der Mainau". Über zehn Jahre vor der ersten weltweiten Umweltkonferenz 1972 in Stockholm wurde festgestellt, daß die natürlichen Lebensgrundlagen in Gefahr geraten. Die Aufstellung von Landschafts- und Grünordnungsplänen in allen Gemeinden wurde gefordert (Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege, 1966, 124). Im 1976 verabschiedeten Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) wurde diese Forderung nach einer Fachplanung für Naturschutz und Landschaftspflege, basierend auf der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG, verwirklicht. Die Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege werden in § 1 Abs. 1 BNatSchG formuliert:

"Natur und Landschaft sind im besiedelten und unbesiedelten Bereich so zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln, daß

1. die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts,

2. die Nuztzungsfähigkeit der Naturgüter,

3. die Pflanzen- und Tierwelt sowie

4. die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft

als Lebensgrundlagen des Menschen und als Voraussetzung für seine Erholung in Natur und Landschaft nachhaltig gesichert sind".

Trotz der seit der Einführung des Planungsinstruments "Landschaftsplan" vergangenen 20 Jahre konnten diese Ziele des BNatSchG nicht erreicht werden: zunehmender Artenrückgang, ansteigender Grad der Überbauung der Landschaft, weitergehende Zerstörung von Lebensräumen und viele weitere Kennzeichen einer schleichenden Verschlechterung des Umwelt- und Naturzustandes lassen an der Qualität der Landschaftsplanung zweifeln. Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (RSU, 1988, 121ff.) hat daher in seinem Umweltgutachten ein düsteres Bild der Landschaftsplanung gezeichnet und dies in seinen folgenden Veröffentlichungen stets aufrechterhalten (RSU, 1994 und 1996a).

1.1 Problemstellung

Der Deutsche Rat für Landespflege (DRL, 1984) hat schon wenige Jahre nach der Einführung die Wirksamkeit dieses Planungsinstruments auf Länderebene bilanziert und Gründe für die mangelnde Umsetzung benannt. Weitere Kritiker aus naturschutzfachlicher (z.B. Brahms et al. 1988; Olschowy, 1989; Kiemstedt/Wirz, 1990; Jessel, 1994a; Zeidler, 1996) und auch juristischer Sicht (z.B. Hahn, 1991; Ramsauer, 1993) folgten. Für das Umsetzungsdefizit werden u.a. die Gemeinden verantwortlich gemacht (Olschowy, 1989; Kiemstedt, 1993), die gem. § 6 BNatSchG für die Aufstellung der kommunalen Landschaftspläne verantwortlich sind (Ausnahme Nordrhein-Westfalen: nach § 16 Abs. 2 LG NW sind die Kreise und kreisfreien Städte Träger der Landschaftsplanung): als `Verhinderungsplanung´ behindert der kommunale Landschaftsplan die wirtschaftliche Entwicklung und die Bereitstellung von Baugebieten. Kaule et al. (1994, 100ff.) haben als entscheidendes Hindernis für die mangelnde Umsetzung der im Landschaftsplan festgesetzten Maßnahmen einen Mangel an Akzeptanz bei den Betroffenen festgestellt.

Zilleßen stellt fest, daß der Bürger politisch selbstbewußter geworden ist und "sich gegenüber Politik und Verwaltung nicht mehr als Untertan" (1993, 28) sieht, zunehmend sensibler wird gegenüber politischen Entscheidungen und admininstrativen Maßnahmen und mit Mißtrauen und Widerstand reagiert. Gaßner et al. (1992, 7ff.) weisen darauf hin, daß Bürger mit den sie betreffenden Planungen erst in fortgeschrittenen Stadien konfrontiert werden, so daß deren Mitsprache reduziert wird. Ihre Einflußnahme beschränkt sich auf Widerstand durch das Ausschöpfen des Rechtsweges (decide-anounce-defend-Verfahren (Zilleßen, 1993, 36)). Politisch brisante Bauwerke (Atomanlagen, Kraftwerke, Flughäfen, Abfallverbrennungsanlagen u.a.) erzeugen Interessenkonflikte, die mit den herkömmlichen Instrumenten staatlichen Handelns nicht mehr zu bewältigen sind. Durch die bisherige "Umweltpolitik mit der Pickelhaube" (Ritter, 1987, 437) erkennt Hoffmann-Riem eine "Krise der imperativen Steuerung durch einseitige Ge- und Verbote" (1990, 20). Hill umschreibt dies folgendermaßen: "Keiner hat die Macht, etwas zu erreichen, aber alle haben die Macht, sich gegenseitig zu blockieren" (1993, 975).

Öffentlichkeitsbeteiligung findet zu spät statt, was zu verhärteten Fronten führt (so auch Kaule et al., 1994, 100ff.) und ihr letztlich nur noch `Alibifunktion´ zukommen läßt (Würtenberger, 1991, 260), da im Rahmen `bipolarer Vorverhandlungen´ wesentliche Planentscheidungen zwischen Antragsteller und Behörde getroffen werden, auf die die interessierten Bürger später keinen Einfluß mehr haben (Gaßner et al., 1992, 10; Holtkamp/ Stach, 1995, 116).

Ein Schlüssel für mehr Umsetzungserfolg kann frühere Bürgerbeteiligung sein, da sie zu mehr Akzeptanz führt. Während Holtkamp/Stach (1995, 120) für diese gleichsam einfache und prägnante Hypothese noch eine weitere Überprüfung in der Praxis fordern, stellten Discher/ Kraus (1991, 151) bei der Untersuchung von Fallbeispielen bei der Sanierung von Altlasten die frühzeitige Information und Beteiligung als eine wesentliche Voraussetzung für eine konsensorientierte Konfliktlösung heraus. Kaule et al. konnten diesen Weg in ihren Fallbeispielen aus dem Bereich Landschaftsplanung/Flurbereinigung als erfolgreich nachzeichnen und prognostizieren Akzeptanz als den entscheidenden Faktor für Planungseffizienz (1994, 123).

Daneben existieren bei komplexen Planungsverfahren mit zahlreichen Beteiligten unterschiedlicher gesellschaftlicher Ebenen zum einen deutliche Kommunikationsprobleme: der Informationsfluß zwischen Wissenschaftler, Planer, Verwaltung und Beteiligten ist unzureichend und hemmt dadurch die Umsetzung der Planungen (eb., 110). Ein weiterer Kritikpunkt ist, daß flächenbezogene Konflikte nicht ausreichend thematisiert und diskutiert werden, sondern "schon im Vorfeld politischer Entscheidungen Konfliktaustragung durch Konfliktausblendung betrieben" (Kiemstedt/Wirz, 1990, 24) wird. Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen stellt hierzu fest, daß in Landschaftsplänen "selten eine problemorientierte bzw. konfliktorientierte Auseinandersetzung mit anderen Raumnutzern" stattfindet (RSU, 1996b, 59).

1.2 Zielstellung

Als eine neue Möglichkeit, mit Konflikten im Umweltbereich umzugehen und sie zu lösen, werden in jüngerer Zeit sog. alternative dispute resolutions (Passavant, 1987; Zilleßen/ Barbian, 1992) diskutiert. Diese aus den USA und Japan (Holznagel, 1989; Foljanty-Jost, 1990) stammenden Verfahren bauen auf Konsenssuche und Kooperation der Beteiligten, z.T. unter zu Hilfenahme eines neutralen Mittlers, wodurch Kosten vermieden, Verfahren verkürzt, ausgewogenere Ergebnisse erzielt und diese auch leichter umgesetzt werden können. Dominierten zunächst juristische Fachkreise das Thema (z.B. Passavant, 1987; Hoffmann-Riem, 1989; Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, 1989; Holznagel, 1989; Hoffmann-Riem, 1990; Brohm, 1990), wurden die Verfahren zur Konfliktmittlung dann auch in soziologischer, politologischer und planerischer Literatur diskutiert (z.B. Striegnitz, 1990; Baumheier/Wiegandt, 1992; Fietkau/Weidner, 1992; Claus/Wiedemann, 1994; Gans, 1994; Dally et al., 1995; Holtkamp/Stach, 1995).

Als das erfolgversprechenste Verhandlungsverfahren wird die Mediation angesprochen (Fietkau/Weidner, 1992; Zilleßen, 1993), die Konfliktmittlung durch einen neutralen Dritten, den Konfliktmittler bzw. Mediator. Dieser hat die Aufgabe, die Verhandlungen anzuregen, festgefahrene Verhandlungen überwinden zu helfen und letztlich den Beteiligten bei der Lösung ihrer Konflikte zu helfen (Passavant, 1987, 519; Susskind/Cruikshank, 1987, 162ff.). Dies unterscheidet ihn im wesentlichen von einem Moderator, der lediglich die Interessen der Parteien verwaltet, aber nicht zu ihrer Strukturierung und Überwindung zur Konsensfindung beiträgt.

Das in vier Phasen (Initiierung, Vorbereitung, Verhandlung, Beschluß) eingeteilte Mediationsverfahren bietet die Möglichkeit, in komplexen Verwaltungs- und Planungsverfahren zu Ergebnissen zu kommen, die von allen Beteiligten im Konsens getragen werden (Gaßner et al., 1992; Holtkamp/Stach, 1995). Der erzielte Konsens, der z.B. im Schnüren von Paketlösungen liegen kann, hat zur Folge, daß die ausgehandelten Maßnahmen akzeptiert und deshalb auch umgesetzt werden. Auf einen Nenner gebracht bedeutet das plakativ:

Konsens schafft Akzeptanz, Akzeptanz birgt Umsetzung, Umsetzung führt zu Effizienz.

Erste Ansätze solcher Verfahren sind in Deutschland insbesondere im Abfall- und Altlastenbereich mit unterschiedlichem Erfolg angewandt worden (z.B. Striegnitz, 1990, 1995; Discher/Kraus, 1991). Eine Übersicht geben Claus (1994) und Claus/Wiedemann (1994). Von soziologischer Seite aus wissenschaftlich begleitet und ausgewertet wurde bisher ein Mediationsverfahren zum Abfallwirtschaftskonzept im Kreis Neuss (Fietkau/Weidner, 1994; Pfingsten/Fietkau, 1995; Weidner/Fietkau, 1995). Im europäischen Ausland liegen Erfahrungen mit mediationsverwandten Verfahren in der Schweiz (Knöpfel, 1995; Wälti, 1995) und in den Niederlanden vor (Hanf/Koppen, 1994). In beiden Ländern ist die politisch-administrative Kultur allerdings viel stärker von Verhandlungs- und Kooperationselementen geprägt als hierzu Lande, so daß sich dort nur in einem sehr weit gefaßten Verständnis des Mediationsbegriffs solche Verfahren in Zukunft entwickeln können. Der in Österreich eingeführte `Umweltanwalt´ hat mit dem Mediationsbegriff, der in Österreich neu und kaum von Bedeutung ist (Ocenasek, 1995), durchaus vergleichbare Ansätze, da er aktive Konfliktmittlung betreiben kann (Barbian, 1992).

Kaule et al. konnten bei allen ihrer vier untersuchten Fallbeispiele aus Flurbereinigung und Landschaftsplanung feststellen, daß eine meßbare Steigerung des Umsetzungserfolgs von Maßnahmen durch den Einsatz von `Umsetzungskoordinatoren vor Ort´ erreicht wurde, wobei den eingesetzten Beratern als `neutrale Dritte´ mehr Vertrauen entgegengebracht wurde, als ihren amtlichen Kollegen (1994, 114). Von einem ebenfalls erfolgreichen kooperativen Planungsverfahren mit einem `neutralen Dritten´ als Koordinator in einem Planverfahren berichtet Stachowitz (1995). Darüber hinaus konnten Kaule et al. zeigen, daß wegen der aufwendigen Koordination zwischen Fachverwaltungen und öffentlichen und privaten Landnutzern zum einen "die Wichtigkeit einer effektiven Projektsteuerung in Naturschutz und Landschaftspflege bisher noch unterschätzt wird" (1994, 101). Zum andern, daß in Zukunft in zunehmendem Maße Verwaltungs- und Managementtechniken gebraucht werden, "die die Initiierung und Durchführung von Umsetzungsprojekten fördern" (eb.,101). Schließlich stellen sie fest, daß "der erfolgreiche Einsatz von Beratern zur Vermittlung von Zielen der Landschaftsplanung (...) von großer Bedeutung (ist) als Hinweis auf deren Ergänzungsbedürftigkeit" (eb., 114).

Kaule et al. sehen es daher als erforderlich an, Techniken zur Vermittlung, namentlich auch der Mediation, in der Landschaftsplanung zu entwickeln und zu erproben (eb., 133). Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen hat die problematische Entwicklung der Akzeptanz von umweltpolitischen Entscheidungen ebenfalls beschrieben und empfiehlt daher, bei Entscheidungs- und Konfliktregelungsverfahren Erfahrungen mit alternativen Konsensverfahren zu sammeln und Umweltverbände umfassend und frühzeitig zu beteiligen (RSU, 1996a, 16; vgl. auch RSU, 1996b, 58ff.). Auch Renn/Oppermann (1995) und Oppermann (1997) greifen den Gedanken der Umsetzung der Landschaftsplanung durch Vermittlungsverfahren auf.

Damit stellt sich die Frage, die in dieser Arbeit bearbeitet werden soll, ob Mediationsverfahren, verstanden als Konfliktmittlung durch einen neutralen Dritten, zur wirksameren Umsetzung von Maßnahmen der kommunalen Landschaftsplanung beitragen können und wo die Probleme bei ihrer Anwendung liegen.

1.3 Einordnung des Themas in die geographische Forschung

Die vorliegende Arbeit kann als Beitrag zur Angewandten Geographie, verstanden als Einbringung der Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung in Gesellschaft und Politik, in drei Teilbereiche der geographischen Forschung eingeordnet werden: der Raumplanung, der Landschaftsökologie und der Politischen Geographie.

Raumplanung und Landschaftsökologie stellen sich als der Überschneidungsbereich von Physio- Anthropo-, Regionalgeographie und der Methoden der Datenerhebung dar. Der Raumplanung kommt insbesondere die Aufgabe zu, heute erhobenes Wissen für zukünftige Planungen einsetzbar zu machen (von Rohr, 1990, 47f.). Landschaftsökologie erforscht die Verbindungen von geoökologischen und biologischen Kompartimenten unter dem Einfluß des Menschen (Leser, 1991) und muß im Bereich Angewandte Landschaftsökologie einen Beitrag zum Natur- und Landschaftsschutz liefern (Finke, 1992). Landschaftsplanung als Fachplanung für Naturschutz- und Landschaftspflege ist damit beiden Wissenschaftszweigen verbunden.

Politische Geographie wird, nachdem sie in Deutschland schon als `vergessene Disziplin´ (vgl. Ante, 1989) gehandelt wurde, heute verstanden als räumliche Konfliktforschung, wobei Konflikte auf unterschiedlichen Maßstabsebenen, von lokal, regional, national bis global, Gegenstand der Forschung sein können (Oßenbrügge, 1983, 33ff.). Die Bedeutung der lokalen Ebene betont Ante (1989, 34f.), da sich hier einerseits alles Handeln raumwirksam niederschlägt und andererseits die unmittelbare Betroffenheit und das Interesse für die Nutzung der Umwelt verankert sind. Oßenbrügge/Sandner (1994, 682) sehen den Schwerpunkt zunächst auf der innerstaatlichen bis lokalen Ebene, erweitern aber das Forschungsfeld der Politischen Geographie von den konfliktauslösenden Rahmenbedingungen auf die Art und Weise des Konfliktmanagements und der Konfliktlösung der Handelnden und Betroffenen.

Politische Geographie kann somit verstanden werden als Teil der Geographie, der die Ursachen von räumlichen Konflikten und deren Lösungen zum Forschungsgegenstand hat. Demnach kann nicht nur die Landschaftsplanung als lokal konfliktverursachendes Planungsinstrument in die Politische Geographie eingeordnet werden, sondern auch der in dieser Arbeit vorgestellte Ansatz der Mediation als Weg der Konfliktlösung durch Verhandlung.

1.4 Gliederung der Arbeit

Nach Einleitung und Erläuterung der angewendeten Methodik (Kapitel 2) folgt mit Kapitel 3 und 4 der deskriptive Teil. In Kapitel 3 wird die besondere Problematik der Umsetzungsschwierigkeiten von landschaftsplanerischen Maßnahmen dargelegt und Perspektiven aufgezeigt. In Kapitel 4 wird das Mediationsverfahren vorgestellt und seine Einsatzfähigkeit in der Raumplanung umrissen. Die Anwendungsprobleme und -aussichten werden dann in den Experteninterviews erhoben, deren Ergebnisse in Kapitel 5 vorgestellt und in Kapitel 6 diskutiert werden. Ein Ausblick und eine Zusammenfassung der Ergebnisse schließen sich an.

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